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KOLOMAN
Der Ausländer, der wir ermordet haben, der uns dann aber doch beschützt

Erstmalig wird für das paraflows Festival ein Theaterstück produziert. Damit erweitert das Festival seine Sparten (nach Ausstellung, Symposium und Konzertreihe) um ein neues Element: Theater. Im Sinne der Aktivierung neuer Orte wurde das Stück für die Gasträume von Wirtshäusern produziert. Dementsprechend finden die sechs Vorstellungen ab 14. September in bekannten Wiener Wirtschaften statt.http://paraflows.at/index.php?id=567

 


KOLOMAN
Der Ausländer, den wir ermordet haben, der uns dann aber doch beschützt.

Ein Stubenspiel in zwei Teilen

Von Clara Gallistl
Nach einem Konzept von Günther Friesinger und Frank A. Schneider
Eine Produktion von paraflows

KOLOMAN - Manuel Leeb
NOTHBURGA - Lisa Semrad
ISOLDE - Mathelia und Anne-Sophie König
BURGVOGTIN - Lisa Furtner
PRIESTER - Harald List

Regie: Clara Gallistl
Musik: Stefan Opeker
Video: David Rabeder (The Raven Films)
Video unter dankenswerter Mitwirkung von Roland Gratzer, Hannes Duscher, Christian Mrazek und Katharina Aigner.



Die Eintrittserlöse gehen an Ute Bock.

Ermäßigung für Studierende bis 27, Arbeitslose und Pensionist_innen.

 





Kurzfassung:


KOLOMAN erzählt mit der Legende des Heiligen Koloman eine sehr spezielle Migrations-Geschichte:

Ostarrîchi, 1012. Der irische Königssohn und Pilger Koloman ist kein Asylwerber, kein Migrant und eigentlich nur auf der Durchreise. Trotzdem wird er im kleinen Stockerau Opfer der ausländerfeindlichen Stimmung die nach Jahren der Ungarneinfälle und unter dem drohenden Krieg mit Polen im noch jungen Österreich herrscht. Der Pilger fällt der Lynchjustiz zum Opfer und wird gehängt. Als seine Leiche auch nach zwei Jahren nicht verwest ist, sondern vielmehr Wunder vollbringt, wird Koloman 1014 heiliggesprochen und dient seitdem als Schutzpatron Stockeraus und Landesheiliger von Niederösterreich.



Historischer Hintergrund:

Das Babenberger Reich des beginnenden 11. Jahrhunderts ist Schauplatz der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen dem bayrischen König Heinrich II. und Herzog Boleslaw I. Chrobry von Polen. Die Donauländer um Stockerau haben erst kürzlich zum ersten Mal in der Geschichte einen eigenen Namen erhalten.: „Ostarrîchi“ ist seit 955 urkundlich registriert. Nun versucht Markgraf Heinrich das Land zu stabilisieren. Die militärischen Abgrenzungen gegen die ungarischen Nachbarn sind stabil, doch ist es noch schwer längerfristige Arbeitskräfte für das Land östlich von Bayern zu finden. Nach und nach siedeln sich Menschen an. In der Nähe von Stockerau wird um 1012 eine Kirche gebaut. Eine Gesellschaft entsteht.

In diese Zeit fällt die Legende des heiligen Koloman. Ein irischer Königssohn, befindet sich auf dem Rückweg von Jerusalem, dem frommen Ziel seiner Pilgerreise. Die von Ungarneinfällen und drohender Kriegsgefahr mit Polen fremdenfeindlich gefärbte Stimmung der Stockerauer erzeugt einen Mob, der in Koloman aufgrund seiner ausländischen Sprache und Kleidung einen Spion erkennen will. Kurzerhand wird der Pilger gehängt. Als zwei Jahre später seine Leiche nicht verwest ist und unter anderem den Sohn eines Stockerauers durch ein Wunder von einer schweren Krankheit geheilt hat, beschließt man, Koloman heilig zu sprechen.

 

Zur künstlerische Auseinandersetzung:

KOLOMAN untersucht im Zuge dieser Appropriations-Erzählung zeitgenössische Strategien im Umgang mit dem Fremden sowie Variationen des Sprechens über Migration. Zugänglich wie kritisch bewegt sich so der niederösterreichische Legendenstoff zwischen Identitätssuche, Sprachlosigkeit, Xenophobie und der Lust, sich aus dem Fremden eine Identifikationsfigur zu basteln. Der erste Teil des Stückes ist geprägt von verbaler und physischer Gewalt aufgrund von Nicht-Verstehen einerseits und der Erstellung eines normativen Selbstbildes durch Othering andererseits. Unter dem Motto „Wir basteln uns einen Märtyrer“ steht der zweite Teil des Stückes. Kolonialisierungsaspekte begleiten die Diskussion um den Umgang mit Kolomans Leiche. Politische und religiöse Aspekte der Flüchtlingsdebatte spiegeln sich in der kulturellen Aneignung Kolomans wider.

Das Stück ist als Stubenspiel konzipiert. Als "Bühne" dient also der Gastraum, in dem sich die Gäste wie gewohnt aufhalten. Die Darsteller_innen sitzen mit dem Publikum an Tischen. Der Raum zwischen den Tischen wird als Spielfläche genutzt. Vor und nach der Vorstellung kann wie gewohnt bestellt werden. Während der Vorstellung werden die bereits erhaltenen Getränke und Speisen konsumiert. Dadurch sorgt das Publikum selbst für den gemütlichen Gaststuben-Flair für den KOLOMAN konzipiert ist.