Faber
Die Information
Die Musik eines guten Singer/Songwriters besitzt immer auch
etwas Heimeliges: Songs wie eine warme Jacke, eine Stimme wie
das Nach-Hause-Kommen nach einer langen Reise. Lauter
Attribute, die auch auf den Anfang-Zwanzigjährigen Faber aus
Zürich zutreffen – und dennoch, etwas Entscheidendes ist
anders hier...
Die von Akkorden begleitete Gefälligkeit des Genres stellt
etwas dar, was der Typ mit dem verschmitzten Blick so gar
nicht mit seinen Kollegen teilen will. So ist es gerade der
bewusste Verzicht darauf, der ihn zu einem der
interessantesten, ja, aufwühlendsten Talente der Schweizer
Musikszene werden lässt. Denn Musik und Texte des Zürichers,
der eigentlich Julian Pollina heißt, besitzen Widerhaken, es
geht an keiner Stelle darum, sattsam bekannte Befindlichkeiten
zu paraphrasieren. Kein egaler „Glaub an Dich“-Scheiß, ein
Stück wie „Wer nicht schwimmen kann, der taucht“ begegnet dem
verstörenden Flüchtlingsdrama am Mittelmeer eben auch mit
verstörenden Mitteln - überhaupt glänzt Fabers Lyrik gern mit
Brecht‘schem V-Effekt. Hier werden Gewissheiten in Frage
gestellt, es wird sich selbst aufs Glatteis gelockt. Denn mal
ehrlich... nur relaxed mit Klampfe und C-Dur am Kaminfeuer
sitzen, das wäre doch einfach zu langweilig.
So erfüllt sich dann auch gerade live Fabers Punkbackground.
Neben ruhigen und ergreifenden Momenten nimmt sein Folk immer
wieder rasante Fahrt auf, wobei das Setting mit Bassist und
einem Drummer, der gleichzeitig (!) Posaune spielt, zusätzlich
zu Fabers Gesang und Gitarre stets etwas von einem
durchgeknallten Straßenmusik-Happening besitzt. Als „Akustik-
Punk für Mädchen“, würden manche daher ihren Sound betiteln,
erzählt Faber und grinst.
Diese Kenntlichkeit und der damit einhergehende
Wiedererkennungswert waren sicher eine große Hilfe als Faber
2015 eine Crowdfunding-Kampagne startete, um das Geld für
seine allererste EP einzubringen. Es klappte, „Alles Gute“
konnte gepresst werden und erzeugte bei Publikum und Medien
derartig viel positive Resonanz, dass die nun 2016 folgende EP
es nicht mehr nötig hat, ihr Publikum um einen Vorschuss zu
anzuhauen – und sich dennoch für eine hochprofessionelle
(lies: fette) Produktion im Berliner Studio von Tim Tautorat
einschließen konnte, der sonst unter anderem schon mit den
Eagles Of Death Metal und den Manic Street Preachers
arbeitete. „Abstinenz“ lautet der Titel der EP und ihr
Eröffnungsstück erzählt davon, wie es ist, zu Boden zu gehen.
Kein Appell ans Aufstehen, eher eine berührende Hymne ans
Unten-Sein. „Mir macht es Spaß, Sachen anders rum zu drehen“,
so Faber selbst, „klar, ist es schön zu sagen, ‚wenn Du
gefallen bist, helfe ich dir auf die Beine‘ – aber meistens
ist es doch so, wenn jemand am Boden ist, dann bleibt er
erstmal am Boden. Und weil das so ist, muss man es eben
aushalten, dass genau das auch gesagt wird“.
Doch auch wenn Faber stets sehr pointiert von Vereinzelung
singen mag, bleibt ihm selbst dieses Schicksal in Zürich
erspart. Zusammen mit der Clique rund um das Labelkollektiv
„Lauter Musik“ nutzt er die Möglichkeit, gegen all die
strukturelle Langeweile immer wieder anzuspielen, dagegen
anzufeiern. Dabei unterhält Faber zudem noch die Band Max &
The MC Forelles, die einfach Surfmusik zu imaginären
Tarantino-Filmen aufstellt. Erlaubt ist, was kickt.
So wundert es auch nicht, dass seine Songs und seine Story
schon längst über Zürich und über die Schweiz hinausgeschwappt
sind. Auf der jüngsten Tour von Sophie Hunger eröffnete Faber
die Abende unter begeistertem Zuspruch. Genauso wurde die
deutsche Agentur auf ihn aufmerksam, die sonst die Booking-
Geschicke von Acts wie Kraftklub, Casper, K.I.Z. oder
AnnenMayKantereit lenkt. Dort nahm man mit Faber den ersten
Schweizer überhaupt unter Vertrag.
Jetzt kann es richtig losgehen, jetzt geht es richtig los.
Text: Linus Volkmann